Ein Bericht von Gernot Kastner
Welche Bilder hat man im Kopf, wenn man an Flughäfen in Osteuropa denkt? Etwa so?
Auch bei mir war es nicht anders, doch man darf sich nicht täuschen. Die Luftfahrt in Osteuropa ist auf der Überholspur und hat sich in den letzten Jahren sehr steil entwickelt. Ein gutes Beispiel ist der Stadtflughafen von Kiew „Kyiv Sikorsky International Airport (IEV)“, den ich auf Einladung Mitte August 2021 besuchen durfte.
Die Anreise zum Stadtflughafen auch Zuljany genannt erfolgte mit Wizz von Bratislava, denn Austrian Airlines und Ukraine International fliegen von Wien aus nur den Boryspil Airport (KBP) außerhalb an.
Wizz ist momentan auch größter Kunde des Stadtflughafens mit knapp 60% der Abflüge. Momentan fliegen 10 Airlines den Flughafen knapp außerhalb des Zentrums Kiews, darunter auch LOT, Beez Airlines, Vueling und Alitalia.
Bei der Landung fällt sofort die große Dichte an Privatflugzeugen auf. 70% der General Aviation Aufkommens der Ukraine wird am IEV abgewickelt. Doch jeder Passagier am Flughafen kommt in den Genuss von modernen Terminals und kurzen Wegen.
Seit 2012 führt ein privater Investor den Flughafen und hat drei komplett neue Terminals (International, Domestic und Business) gebaut. Dazu wurde das Vorfeld erneuert und ein komplett neuer Fuhrpark an Vorfeldfahrzeugen angeschafft.
Der Flughafen managt alle Prozesse selbst und bietet ein modernes Komplettprodukt für seine Airlinekunden an. Durch die Entwicklung konnte der Flughafen stetig mehr Kunden gewinnen. Vor der COVID Krise nutzen 2,8 Mio Passagiere den Flughafen. Während der Krise war der Flughafen komplett geschlossen. Jetzt verzeichnet der IEV einen Aufschwung und wickelt wieder ca. 2/3 des Vorkrisenverkehrs (190.000 Pax im Juli 2021) ab. Besonders die Turkei-Flüge und der VFR (Visiting Friends and Reöatives) Bereich zeigen den großen Aufholbedarf für Reisen.
2023 wird der Flughafen wieder für 9 Monate geschlossen, diesmal aber für eine große Runway-Verlängerung von 2300m auf 2800m um auch die größten Narrowbody-Aircraft (A321XLR und B737-900) bei jedem Wetter abfertigen zu können. Dies dürfte wohl auch der Wunsch der Low Cost-Carrier sein. Ob dann auch Langstreckenflüge angeboten werden wird man sehen.
Das Airport Management hofft aber auch mit der Erweiterung andere Legacy Carrier für den Stadtflughafen begeistern zu können. Flüge zu Hubs wie Frankfurt, München, Paris oder Amsterdam stehen auf dem Wunschzettel, für die Zeit nach der Pistenverlängerung. Für viele Geschäftskunden wäre die zentrumsnahe Lage und gute öffentliche Anbindung (Taxis, Busse) sicherlich die bessere Option für die Stadt Kiew wäre, obwohl der U-Bahnanschluss des Terminals noch ein langfristiger Wunsch bleiben dürfte.
Mit den Nachbarn hat der Flughafen ein sehr gutes Verhältnis, was für einen Stadtflughafen mit 24h Betrieb nicht selbstverständlich ist. Es liegt wohl daran, dass der Flughafen bereits seit 97 Jahren existiertr und die neuen zivilen Flugzeuge immer leiser werden. Auch ist der Flughafen ein wichtiger und guter Arbeitgeber mit Engagement für die Region.
Für Luftfahrtfans lohnt der Besuch des Flughafens jedenfalls, denn neben den Privatflugzeugen kann man noch fliegende Antonovs von Motor Sich auf Inlandsflügen bestaunen und eines der besten Flugzeugmusen der Welt, das staatliche Oleg Antonov State Aviation Museum, besichtigen.
Hinweis: Der Kyiv Sikorsky International Airport (IEV) finanzierte die Reise nach Kiew. Vielen Dank für die Möglichkeit.