„Umweltkostenzuschlag der Lufthansa-Gruppe: Verwirrspiel mit den Passagieren“

Gastbeitrag von Dieter J. F. Haselsteiner

Buchpräsentation- Obmann Gernot Kastner und Mag. Dieter J.F. Haselsteiner

Ende Juni 2024 hat die Lufthansa-Gruppe verkündet für Flüge ab dem 1. Jänner 2025 einen verpflichtenden Klimaschutzaufschlag in der Form von Umweltkostenzuschläge in die Flugtarife zu integrieren und separat auszuweisen. Bis zu EUR 72 können Flüge der Airlinegruppe dann für den Passagier mehr kosten. Was in Europa bisher nur Air France-KLM in Form eines Ökozuschlags gemacht hat (seit 2022 aufgrund eines französischen Gesetzes), wird nun von der Lufthansa-Gruppe ebenfalls in den Buchungssystemen implementiert. Von Seiten der Flugpassagiere bestand bisher das Angebot, Kompensationsgeschäfte im Sinne eines umweltfreundlicheren Fliegens freiwillig in Anspruch zu nehmen. Dabei werden Flugemissionen durch Kompensation reduziert. Diese Kompensationsgeschäfte stehen jedoch unter diversen Gesichtspunkten in Kritik und sollten nicht als „Greenwashing“ für eine nachhaltige Luftfahrt instrumentalisiert werden. Es besteht die Gefahr des sogenannten „Rebound-Effekts“, bei den Personen, die ihre Emissionen kompensieren, möglicherweise weniger Anreiz verspüren, ihren eigenen Energieverbrauch zu reduzieren. Dies könnte dazu führen, dass Menschen weiterhin umweltschädliche Verhaltensweisen beibehalten, da sie glauben, dass ihre Emissionen durch Kompensation ausgeglichen werden können. Des Weiteren gibt es gibt Unsicherheiten darüber, wie effektiv Kompensationsprojekte tatsächlich sind. Manche Projekte könnten nicht die erwarteten CO2-Einsparungen erzielen, und es gibt Diskussionen über die Genauigkeit von Messungen und Berechnungen. Wie brisant dieses Thema ist, zeigte unlängst die Reaktion aus Brüssel. Von der Europäischen Kommission wurden Anfang Mai 2024 insgesamt 20 Airlines in Europa wegen Greenwashings, also potentiell irreführender Werbung mit Versprechungen zum Umweltschutz gerügt.

Was genau sind nun die Hintergründe für die Einführung dieser Umweltkostenzuschläge? Gemäß Aussage der Austrian Airlines ist dieser Zuschlag je nach Strecke und Tarif fixiert und soll einen Teil der aufgrund regulatorischer Umweltauflagen stetig steigenden Zusatzkosten abdecken. Darunter fallen alle Abflüge aus Ländern der Europäischen Union (plus Großbritannien, Norwegen und Schweiz) ab dem 1. Jänner 2025 wegen

  • Der gesetzlich geltende Beimischungsquote von zunächst 2% für nachhaltigen Flugkraftstoff (Sustainable Aviation Fuel, SAF)
  • Anpassungen des EU-Emissionshandelssystems (EU-ETS) sowie
  • weitere regulatorisch bedingte Umweltkosten wie beispielsweise das Carbon Offsetting and Reduction Scheme for International Aviation (CORSIA).

Weiters führt Austrian Airlines aus: „Der Umweltkostenzuschlag soll transparent machen, welche regulatorischen Mehrkosten für eine nachhaltige Transformation der Luftfahrt auf uns zukommen. Wir wollen diese gesondert ausweisen, auch um bewusst zu machen, dass hier stets steigende Kosten auf uns zukommen werden. Auch andere Airlines werden diese Kosten tragen müssen und sie ebenso den Kund:innen weitergeben. Wir setzen hier auf Transparenz und bilden diese regulatorischen Mehrkosten nicht einfach in erhöhten Ticketpreisen ab.“

Somit ist klar, dass nur Flugreisen ab dem Jahr 2025 betroffen sind und es auch nur zu Aufschlägen bei jenen Abflughäfen kommt, welche sich in der EU sowie in Großbritannien, Norwegen und der Schweiz befinden. Summa summarum wird dadurch das Fliegen teurer.

Ein kurzer Rückblick zeigt, dass sich aufgrund eklatant gestiegener Rohölpreise viele Airlines ab den Jahren 2007/2008 gezwungen sahen, diese Zusatzkosten gegenüber den Passagieren als Kerosinzuschlag separat auszuweisen. Somit ist ähnlich wie damals, der nun eingeführte Umweltzuschlag als zusätzlicher Kostenfaktor zu verstehen, welcher gegenüber den Passagieren transparent kommuniziert werden soll.

Offen bleiben die Fragen warum die Lufthansa-Gruppe mit diesem Zuschlag nur einen Teil der damit verbundenen Kosten abdecken möchte und wie groß dieser Anteil tatsächlich ist. Was ist unter dem Maximalbetrag in der Höhe von EUR 72 genau zu verstehen und gibt es eine Staffelung o.ä.?

Ferner wurde von der Lufthansa-Gruppe kommuniziert: „Für Eurowings Flüge, die über die Lufthansa Group vermarktet werden, ist der Umweltkostenzuschlag bei Buchungen ab dem 26. Juni 2024 für Abflüge ab 1. Januar 2025 bereits inkludiert. Bei Buchungen auf eurowings.com ist der Umweltkostenzuschlag derzeit noch nicht enthalten.“ Daraus ergeben sich vorranging folgende Fragen: Was ist unter der „Vermarktung über die Lufthansa-Gruppe“ konkret zu verstehen? Fällt der Umweltkostenzuschlag für Flüge (durchgeführt von) der Eurowings nur dann an, wenn man über die Lufthansa-Buchungsplattform bucht und direkt bei Eurowings nicht und/oder wird dieser nicht separat ausgewiesen?

Aufgrund dieser teilweise unklaren Aussagen kann man schnell zum Schluss gelangen, dass es sich beim Thema „Umweltkostenzuschlag“ der Lufthansa-Gruppe um ein eher kompliziertes Unterfangen handelt. Aus diesem Grund hat es sich angeboten, anhand von Probebuchungen das Thema genauer unter die Lupe zu nehmen. Es ist anzumerken, dass bei nachfolgenden exemplarischen Probebuchungen (teilweise mit Screenshots) stets 1 Erwachsener als potentieller Fluggast in der Economy Class (außer anders angegeben) vorgesehen war.

Probebuchung 1: Buchung via www.lufthansa.com für einen Hin- und Rückflug mit Austrian Airlines von Hannover nach Wien in der Economy Class, Hinflug am 14. Jänner 2025, Rückflug am 16. Jänner 2025:

Beim Hinflug wird nur im Tarif „Economy Green“ auf „Nachhaltiger Fliegen mit SAF (20%) und CO2-Ausgleich (80%)“ als „inklusive“ hingewiesen, bei allen anderen Tarifen nicht. Für den Passagier sieht es so aus, als ob er nur mit dem Tarif „Economy Green“ der Umwelt hilft, mit den anderen Tarifen nicht. Dies ist durchaus sehr verwirrend, wird doch das gesamte Flugzeug mit nachhaltigem Flugkraftstoff in der Höhe von 2% beigemischt und dies nicht in Abhängigkeit des Passagiers durchgeführt. Wird auch für den Rückflug der Tarif Economy Green ausgewählt erkennt man in den Preisdetails, dass ein Umweltkostenzuschlag in der Höhe von EUR 4 ausgewiesen wird – also EUR 2 pro Flug da sich beide Abflughäfen in der EU befinden. Für die Businessclass wird der Tarif „Business Green“ offeriert. Für die Businessclass kommt ein Aufschlag in der Höhe von 50% dazu was zu insgesamt EUR 6 Umweltkostenzuschlag führt.

Irritierend bei dieser Flugbuchung sind folgende Umstände:

  • Wählt man für den Hinflug den Tarif „Economy Green“ aus, kann man für den Rückflug auch nur den Tarif „Economy Green“ auswählen, andere Tarife werden nicht angeboten.
  • Wählt man für den Hinflug einen anderen Economy Tarif (zum Beispiel „Economy Light“ oder „Economy Classic“), so werden auch für den Rückflug diese Optionen angezeigt – jedoch kein „Economy Green“.
  • Wählt man für beide Flüge den Tarif „Economy Classic“ aus, so werden am Ende in den Preisdetails ebenfalls EUR 4 Umweltkostenzuschlag ausgewiesen obwohl ich mich als Passagier aktiv dagegen entschieden habe, umweltschonend zu fliegen.

Probebuchung 2): Buchung via www.lufthansa.com für einen Hin- und Rückflug mit Eurowings von Hannover nach Wien, Hinflug am 14. Jänner 2025, Rückflug am 16. Jänner 2025:

Im Zusammenhang mit „Nachhaltiger Fliegen und CO2 Ausgleich“ wirft die Lufthansa Buchungsmaschine die Tarife „Eurowings PlanetBlu Flex“ sowie „Eurowings PlanetBlu Fullflex“ aus. In den Preisdetails wird der Umweltkostenzuschlag von insgesamt EUR 4 ausgewiesen. Wird jedoch dieselbe Reise über www.eurowings.com gebucht, so werden keinerlei Umweltaspekte in den Tarifmöglichkeiten als auch zum Schluss in den Preisdetails ausgewiesen:

Dies bedeutet, dass Eurowings selbst über ihre eigene Buchungsplattform keine Umweltkostenaufschläge einhebt oder diese in anderen Tarifdetails (versteckt) inkludiert.

Probebuchung 3): Buchung via www.aua.com für einen Hin- und Rückflug mit Austrian Airlines nach Yerevan, Hinflug am 7. Februar 2025, Rückflug am 12. Februar 2025. Auf dieser Strecke ist der Tarif „Economy Green“ verfügbar und wird dann in den Preisdetails mit EUR 2 angeführt, da für den Abflug ex Yerevan kein Umweltkostenzuschlag (außerhalb der EU) eingehoben wird. Von daher fällt für die Strecke nach Yerevan ex Wien (2.380 km) der gleich hohe Umweltkostenzuschlag an wie ins Nachbarland Deutschland (nach Hannover: 689 km).

              Probebuchung 4): Buchung via www.aua.com für einen Hin- und Rückflug mit Austrian Airlines von Wien nach Kairo, Hinflug am 16. Jänner 2025, Rückflug am 21. Jänner 2025. Für den Hinflug gibt es keinen Economy Green Fare sowie auch keinerlei Hinweis auf Umweltkostenzuschlag im Sinne von „Nachhaltiger Fliegen sowie CO2-Kompensation“. Dennoch sind final in den Preisdetails EUR 2 Umweltkostenzuschlag zu entnehmen!

Probebuchung 5): Buchung via www.swiss.com für einen Hinflug mit Swiss Air Lines von Wien nach Zürich und Rückflug mit Austrian Airlines, Hinflug am 28. Jänner 2025, Rückflug am 30. Jänner 2025. Für den Hinflug wird der Tarif „Economy Green“ angeboten, ebenso für den Rückflug, die Preisdetails spiegeln einen Umweltkostenzuschlag in der Höhe von EUR 4 wider (Economy), EUR 6 für die Business Class.

Probebuchung 6): Buchung via www.aua.com für einen Hin- und Rückflug mit Austrian Airlines von Wien nach New York JFK, Hinflug am 11. März 2025, Rückflug am 17. März 2025. Bei der Buchung ist kein „Economy Green“-Tarifs auswählbar sowie auch keinerlei Hinweise in Richtung nachhaltig fliegen und CO2-Kompensation. Wählt man den Tarif „Economy Basic“ für beide Flüge wird in den Preisdetails der Hinweis auf Umweltkostenzuschlag angeführt: EUR 9 in der Economy Class (EUR 27 in der Business Class):

Probebuchung 7: Buchung auf www.swiss.com für einen Hin- und Rückflug mit Swiss Air Lines von Zürich nach Oslo, Hinflug am 14. Jänner 2025, Rückflug am 17. Jänner 2025. Eine Auswahl des Tarifes „Economy Green“ ist für beide Flüge möglich, in den Preisdetails ist jedoch keine Spur von einem Umweltkostenzuschlag:

Auf Basis der Pressemeldung der Lufthansa-Gruppe, den Ausführungen der Austrian Airlines und den durchgeführten Probebuchungen werfen die Einführung der Umweltkostenzuschläge der Lufthansa-Gruppe zusammenfassend eine Menge offener Fragen auf:

  • in wie fern kann der Umweltkostenzuschlag den Passagier betreffend Flugpreis und Umweltgedanken (Reisegewohnheiten) tatsächlich beeinflussen?
  • Bleibt Eurowings ein Exot in der Lufthansa-Gruppe in Bezug auf den Umweltkostenzuschlag?
  • Wird die erwähnte Transparenz in Bezug auf Umweltkostenzuschlag tatsächlich noch kommen?
  • Warum deckt die Lufthansa-Gruppe mit diesem Zuschlag gemäß eigener Aussagen nur einen Teil der damit verbundenen Kosten ab und wie groß ist dieser Anteil tatsächlich?
  • Wie fair ist die Einteilung bzw. Staffelung des Umweltkostenzuschlags auf Basis der tatsächlichen Entfernung zwischen zwei Flughäfen sowie der Beförderungsklasse wirklich?
  • Warum kann man den Tarif „Economy Green“ beim Hinflug nur mit einem „Economy Green“-Tarif beim Rückflug kombinieren wobei andere Economy Tarife ausgeschlossen werden?
  • Warum werden Umweltkostenzuschläge in den Preisdetails ausgewiesen, wenn der Tarif „Economy Green“ mit Hinweis auf nachhaltig Fliegen gar nicht ausgewählt wurde?
  • Hinsichtlich der Anwendung des Umweltkostenzuschlags zumindest für Flüge zwischen der Schweiz und Norwegen scheint es eine Lücken zu geben, warum?
  • Nebst Air France-KLM: Wie gehen andere Airlines mit diesen neuen regulatorischen Maßnahmen um? Ist die Lufthansa- Gruppe hier den anderen Airlines voraus? Welchen wettbewerbsrechtlichen Vorteil erhofft sich die Lufthansa mit dieser Maßnahme?
  • In welchem Maße werden sich die Umweltkostenzuschläge weiter entwickeln?
    • bei weiterer Erhöhung der Beimischungsquote für nachhaltigen Flugkraftstoff? Schon für 2023 wird eine Beimischungsquote von 20% vorgeschrieben (Verzehnfachung gegenüber dem Jahr 2025!)
    • Wenn CORSIA ab 2027 teilweise verpflichtend wird (zwischen 2027 und 2035 sind alle Staaten zur Teilnahme verpflichtet, wenn ihre Luftfahrzeugbetreiber mehr als 0,5% zur globalen Luftverkehrsleistung im Jahr 2018 beigetragen haben).
  • Flugstorno: Gemäß Austrian Airlines sin die Stornierungsbedingungen abhängig vom gebuchten Tarif. „Wenn Anspruch auf eine vollständige Erstattung besteht, so inkludiert dies auch den Umweltkostenzuschlag.“ Somit ist eine Rückerstattung des Umweltkostenzuschlags bei einer partiellen Rückerstattung vorerst nicht geklärt und wird sich erst in der Praxis zeigen.
  • (Wie lange) Wird es weiterhin möglich sein individuelle Zahlungen am Ende des Buchungsprozesses zu tätigen, um die Klimafolgen eines Fluges zu lindern?

Die Kerosinzuschläge sind mittlerweile schon wieder in Vergessenheit geraten, weil diese nicht mehr in den Preis/Tarifdetails enthalten sind. Wird der Umweltkostenzuschlag das gleiche Schicksal erfahren? Der Klimaschutzaufschlag ist per se nicht verpflichtend, es entstehen durch die verpflichtenden Maßnahmen Mehrkosten die auf die Passagiere abgewälzt werden. Im Sinne der Transparenz hat die Lufthansa-Gruppe beim Thema Umweltkostenzuschlag das Ziel jedenfalls eindeutig verfehlt – lediglich ein verwirrter Passagier bleibt zurück (falls es diesem überhaupt bewusst ist). Für den Fluggast ist es beruhigend: der höchste Zuschlag (EUR 72) wird nur auf Langstreckenflügen in der First-Class fällig. Mehrkosten in der Höhe von EUR 2 pro Flugsegment innerhalb Europas werden für den Flugpassagier verkraftbar sein.

Über den Autor: Dieter J. F. Haselsteiner (44) ist Betriebswirt, mehrfacher Buchautor und seit vielen Jahren Luftfahrtenthusiast. Seine aktuellsten Buchpublikationen umfassen All you need to know about European Airports (2023), Europas Flughäfen im Blickpunkt (2023) und Remote, small but essential (2021). Weitere Informationen zu seinen Blog, seinen Büchern, Artikeln und Vorträgen sind auf www.dieterhaselsteiner.at zu finden.