
Kalte und trübe Wintertage wie in der aktuellen Jahreszeit laden vornehmlich dazu ein die Sonne über der Wolkenschicht in den Bergen auf zwei Brettern aufzusuchen. Alternativ lässt sich auch das Glück in der Ferne finden: Sonne, Strand und mehr sowie Kultur und Abenteuer in wärmeren Gefilden finden immer mehr Zuspruch. So ist es nicht verwunderlich, dass es mittlerweile viele Europäer im kalten Winter zu tropischen Destinationen zieht. In diesem Artikel möchte ich daher auf die (Ferien)ziele im Langstreckenmarkt ex Österreich eingehen. Entsprechende Direktflüge werden dabei ausnahmslos ab dem Flughafen Wien beleuchtet, weil diese auch nur von dort angeboten werden. Lauda Air’s Intermezzo an Langstreckenflügen ex Salzburg in der Vergangenheit soll nur der Vollständigkeit halber erwähnt werden.
Ein Blick in die Vergangenheit
Bis vor dem Zusammenschluss der Lauda Air mit Austrian Airlines im Jahr 2012 war es erstgenannte Airline, die primär die Rolle des österreichischen Ferienfliegers auf der Langstrecke inne hatte. Fernziele wie u.a. Denpasar, Holguin, Ho Chi Minh City, Mexico City, Orlando, Phuket und Porlamar waren damals Bestandteil vom Streckennetz von Lauda Air, nicht zu vergessen die Australienrouten nach Sydney und Melbourne (via Kuala Lumpur bzw. Singapur). Einige der Routen wurden nach der Übernahme von Austrian Airlines weiterbetrieben, die meisten jedoch schon davor oder zumindest danach sukzessive eingestellt.
Derzeitige Situation
Das aktuelle Bild vom Flugplan zeigt uns ein äußerst überschaubares Angebot an (Ferien)Destinationen im Segment Langstrecke, welche alle von Austrian Airlines konkurrenzlos angeboten werden. Es handelt sich dabei um Male und Mauritius. Selbst vordergründig attraktive Destinationen in Kuba, Mexiko, der Dominikanischen Republik, Südafrika und die Seychellen wurden zwar in jüngster Vergangenheit bedient, wurden jedoch eingestellt bzw. nicht reaktiviert. Ausländische Langstreckencarrier, die vornehmlich Leisuredestinationen bedient haben, sind am Flughafen Wien mittlerweile komplett verschwunden. Dazu zählen beispielsweise Air Mauritius, Air Transat oder African Safari Airways.
Diese Umstände spiegeln ein sehr dürftiges Angebot in dem analysierten Markt wider und scheinen großes Potential zu haben, das aktuell nicht ausreichend bedient wird. Deshalb bin ich der Frage nachgegangen wie das Bild in ähnlichen bzw. vergleichbaren Märkten aussieht und wie die Zukunft des Langstreckenverkehrs im Leisurebereich ex Wien aussehen könnte.
Die Schweiz als Benchmark
Die Schweiz bietet sich aufgrund der Größe und anderer Merkmale sehr für einen direkten Vergleich an. Dort ist Swiss Int. Air Lines, so wie Austrian Airlines auch Teil der Lufthansa Gruppe, der lokale Platzhirsch am Flughafen Zürich. Mit Edelweiss Air verfügt der Flagcarrier seit 2008 über eine eigene Leisureairline, die sowohl Linien- als auch Charterflüge im Kurz-, Mittel- und Langstreckenverkehr abdeckt. Trotz des großen Langstreckennetzwerks von Swiss Int. Air Lines selbst, wird dieser durch Edelweiss Air im Leisuresegment massiv ergänzt. Nimmt man das Langstreckennetzwerk von Edelweiss Air genauer unter die Lupe, so kann man aus österreichischer Sicht durchaus neidisch werden: es umfasst nicht weniger als 28 Destinationen in 17 Ländern! Dazu zählen Boa Vista und Sal auf den Kapverden, Bogota und Cartagena (Kolumbien), Calgary, Halifax und Vancouver (Kanada), Cancun (Mexiko), Colombo (Sri Lanka), Denver, Seattle, Tampa und Las Vegas (USA), Havanna (Kuba), Kapstadt (Südafrika), Kilimandscharo und Sansibar (Tansania), Liberia und San Jose (Costa Rica), Mahe (Seychellen), Male (Malediven), Muskat und Salalah (Oman), Mauritius, Montego Bay (Jamaika), Phuket (Thailand), sowie Puerto Plata und Punta Cana (Dominikanische Republik).
Es zeigt sich klar, dass die Schweiz bzw. Zürich hier eindeutig gegenüber Österreich bzw. Wien die Nase vorne hat. Dieser Umstand ist umso erstaunlicher, dass die Flughäfen Wien und Zürich fast ident sind in Bezug auf jährliches Passagiervolumen im Jahr 2024 (VIE; 31,7 Mio vs. ZRH: 31,2 Mio). Desweiteren weisen Swiss Int. Air Lines und Austrian Airlines in etwa die gleiche Größe auf: in Bezug auf Flotte (83 vs. 70) und beförderte Passagiere (19,3 Mio vs. 13,9 Mio). Einzig die Kaufkraft spricht klar für die Eidgenossen: ca. $ 101.000 pro Kopf vs. $ 57.000.
Deutschland als weiteres Beispiel
Andere Märkte im deutschsprachigen Raum zeigen ein ähnliches Bild wie in der Schweiz, jedoch mit anderen Dimensionen. Die Darstellung vom Ferienflugangebot auf der Langstrecke des Flughafens Frankfurt ist eher nicht mit jenem von Zürich oder Wien vergleichbar und soll der Umstände halber zum besseren Gesamtverständnis veranschaulicht werden.
Der Flughafen Frankfurt verfügt mit Condor und Discover Airlines gleich zwei heimische Langstreckencarrier im Leisurebereich. Erstere war lange Interliningkunde vom eigentlichen Konkurrent Lufthansa, um einen entsprechenden Feed am Hub in Frankfurt zu gewährleisten. Diesen Feed nimmt aufgrund rechtlicher Änderung Condor nun vermehrt selbst in die Hand, unterhält der Ferienflieger im Langstreckenbereich mehr als 35 Ziele in Nordamerika, der Karibik, Afrika, Naher Osten und Asien. Flugzeuge vom Typ A330-900 (18 Stück) und B757-300 (8) werden hierfür genutzt.
Die noch junge Discover Airlines (gegründet im Jahr 2021 als „Eurowings Discover) operiert mit einer Langstreckenflotte von 13 A330-200/300) ebenfalls ex Frankfurt. Die Airline ist eine 100%ige Tochter des deutschen Nationalcarriers Lufthansa und bedient vornehmlich das Segment der Ferienziele im Langstreckenverkehr. Insgesamt umfasst das Streckennetz von Discover Airlines ex Frankfurt über 20 Destinationen auf der Langstrecke. Darüber hinaus hat es sich bereits etabliert, dass vormals von Lufthansa selbst betriebene Langstreckenrouten aufgrund von schwachen Erträgen oder ähnlichen Gründen an Discover Airlines übertragen werden und somit weiterhin im Konzern für den Kunden angeboten werden können.
Fazit
In Bezug auf die gestellte Frage „Fehlt Österreich ein Ferienflieger auf der Langstrecke?“ kann dies nun eindeutig mit JA beantwortet werden. In Relation mit dem vergleichbaren Markt Schweiz bzw. Zürich hinkt der Flughafen Wien in diesem Marktsegment vehement hinterher.
Gegenwärtig sind Sonnenhungrige bezüglich Ferndestinationen primär auf Umsteigeverbindungen angewiesen. Die gute Anbindung an Hubs wie Frankfurt, London-Heathrow, Paris CDG, Madrid und Zürich im Westen sowie Istanbul, Abu Dhabi, Doha und Dubai im Osten, ermöglichen eine schnelle Anbindung zu den gewünschten Zielen mit einem notwendigen Umstieg auf den respektiven Flughäfen mit Airlines wie Lufthansa, Condor, Discover Airlines, British Airways, Air France, Iberia, Edelweiss Air bzw. Turkish Airlines, Etihad, Qatar Airways und Emirates. Es ist historisch erwiesen, dass durch Direktverbindungen die Gesamtnachfrage deutlich gesteigert wird und das Volumen von bisherigen Umsteigepassagieren insgesamt deutlich übersteigt.
Mögliche Lösungen für Österreich
Doch wie könnte der Flughafen Wien nun dieses Marktpotential bestmöglich abschöpfen? Die eingeschränkte Flottenverfügbarkeit von Austrian Airlines ermöglicht es (trotz Flugzeugbestellungen für die Langstrecke) nicht, hier einen spürbaren Ausbau der Ferienziele auf Langstreckenmärkten umzusetzen. Auch Condor sehe ich nicht als Option in Wien einen Standort für Langstreckenflüge in Wien zu etablieren. Deren Fokus liegt nur auf Frankfurt, darüber hinaus werden ab 2025 dazu zusätzlich eigene Feederflüge u.a. aus Wien nach Frankfurt eingerichtet und das Thema „Condor Langstrecke Wien“ hatten wir schon mal in der Vergangenheit – dieses Abenteuer währte nur kurz. Des Weiteren schließe ich die gänzliche Neugründung einer unabhängigen Langstreckenairline in Wien aus. Meiner Meinung nach ergeben sich daher vornehmlich drei attraktive und durchaus umsetzbare Optionen.
Variante 1) die Gründung einer eigenen Leisureairline für die Langstrecke als 100%ige Tochter der Austrian Airlines, ganz nach dem Vorbild von Lufthansa mit Discover Airlines oder Swiss Int. Air Lines mit Edelweiss Air. Dies hätte viele Vorteile, vordergründig das Know-How der Mutter und v.a. der neben dem Originärmarkt zusätzlich notwendige Feed am Hub Flughafen Wien.
Variante 2) Eine weitere Möglichkeit wäre die Stationierung von Flugzeugen der Discover Airlines in Wien verknüpft mit einer engen Zusammenarbeit mit Austrian Airlines. Dies hätte zur Folge, dass der Hub Flughafen Wien im Sinne der Umsteigepassagiere optimal genutzt werden könnte und Discover Airlines ein bestehendes breites Streckenportfolio anbieten bzw. integrieren könnte.
Variante 3) Letztgenannte Umsetzungsmöglichkeit könnte auch eine Kombination von beiden geschilderten Varianten sein, indem Austrian Airlines eine Discover Airlines Austria gründet.
Bei beiden geschilderten Varianten wäre der Start des operativen Flugbetriebs mit der Stationierung von zwei bis drei Flugzeugen am Flughafen Wien wohl am sinnvollsten, um entsprechende Kapazitäten anbieten und ökonomische Ziele verfolgen zu können. Als Flugzeugtypen eigenen sich dafür Boeing 787-900, A330-300 bzw. – 900. Um gute Erträge erzielen zu können und auch die bestehende Nachfrage bedienen zu können, ist jedenfalls von einem reinen Economy Modell abzusehen und zumindest eine 2-Klassen-Konfiguration (Premium Economy sowie Economy-Class) anzubieten. Diesem notwendigen Umstand ist auch geschuldet, dass es sich beim anvisierten Streckennetz vorwiegend um Outgoingdestinationen handelt, Incoming wird nur eine untergeordnete Rolle spielen.
Ich würde mich sehr für den Wirtschaftsstandort Wien und Österreich freuen, wenn in dieser Hinsicht bald Bewegung reinkommt und im ersten Schritt (bis 2027) das Langstreckennetz im Leisurebereich insgesamt mindestens 10 Destinationen aufweist. Gerne freue ich mich auf Feedback zu meinem Artikel, insbesondere in Bezug auf Wunschdestinationen (office@haselsteiner.co.at) – vielen herzlichen Dank!