- Kollisionen oder Unfälle für 63 Prozent der Schadenshöhe und ein Drittel aller Luftfahrtversicherungsansprüche verantwortlich
- Ein wachsender Luftfahrtsektor steigert die Versicherungsprämien 2024 auf ein Rekordhoch von mehr als acht Milliarden US-Dollar
- Der erhebliche Anstieg der Reparaturkosten und ein Mangel an Mechanikern wirken sich auf die Schadenaktivität aus
- Nachhaltigkeit ist weiterhin eine große Herausforderung für die Branche
COVID-19, die Energiekrise oder die angespannte geopolitische Lage: Die Luftfahrtbranche und ihre Versicherer waren in den vergangenen Jahren mit erheblichen Herausforderungen konfrontiert. Dennoch hat sich die Branche gut erholt: mehrere Parameter für 2023 zeigen die besten Sicherheitsergebnisse aller Zeiten. In diesem Jahr wird das weltweite Fluggastaufkommen voraussichtlich ein Allzeithoch erreichen (+10,4 Prozent gegenüber 2023), getrieben vor allem durch Flüge in Asien und Nordamerika. Obwohl die allgemeinen Aussichten für die Branche positiv sind, gibt es laut dem Aviation Risk, Claims and Insurance Outlook von Allianz Commercial noch viele Herausforderungen zu bewältigen.
Der Luftfahrtsektor ist global für einige der größten und aufsehenerregendsten Schäden im Versicherungssektor verantwortlich. Die Allianz Commercial-Analyse von mehr als 32.000 Branchenschäden im Zeitraum von 2019 bis 2024 mit einem Gesamtwert von 15 Milliarden US-Dollar (circa 14 Milliarden Euro) zeigt, dass 85 Prozent der Schadenssumme auf Kollisionen oder Unfälle (63 Prozent) sowie fehlerhafte Verarbeitung oder mangelhafte Produkte (22 Prozent) zurückzuführen sind. Andere Vorfälle wie Naturkatastrophen (4 Prozent), Maschinenausfälle (3 Prozent) oder Feuer (1 Prozent) spielen nur eine Nebenrolle.
„Der Luftfahrtmarkt befindet sich in einer interessanten und möglicherweise noch nie dagewesenen Situation, weil der traditionelle Marktzyklus durch die Auswirkungen von Pandemien und Kriegen unterbrochen wurde. Zugleich führt das kontinuierliche Wachstum des Sektors dazu, dass die Prämien in diesem Jahr ein Rekordhoch von mehr als acht Milliarden US-Dollar erreichen“, sagt Tom Fadden, Global Head of Aviation bei Allianz Commercial. „Wir sehen ein wachsendes Interesse an multinationalen Versicherungen und ein erhöhtes Anfragevolumen für internationale Versicherungsabschlüsse über verschiedene Geschäftsbereiche hinweg. Dennoch bleibt die Situation für Versicherer angespannt, da öffentlichkeitswirksame Schäden und Inflation die Gewinne unter Druck setzen.“
Steigende Reparaturkosten und Fachkräftemangel sind ein zunehmendes Problem
Die Kosten für Flugzeugreparaturen sind in den vergangenen Jahren erheblich gestiegen, was unter anderem auf höhere Arbeitslöhne und höhere Kosten für Flugzeugteile zurückzuführen ist. Die Umstellung auf Flugzeuge der nächsten Generation wirkt sich weiterhin auf die Schadenregulierung aus, insbesondere was die Kosten für die Demontage und Reparatur von Triebwerken betrifft. Darüber hinaus kann sich der zunehmende Mangel an Flugzeugmechanikern auf die künftige Schadenaktivität auswirken. So könnte es länger dauern, bis Reparaturen abgeschlossen sind, wenn es den Anbietern an Arbeitskräften oder Effizienz mangelt. Weniger erfahrene Mechaniker sind zudem womöglich nicht in der Lage, ein Teil zu reparieren, so dass es durch ein neues ersetzt werden muss, was in der Regel teurer ist. Eine offensichtliche Sorge ist, dass der Mangel zu einem Unfall führt, trotz der in der Branche bestehenden Kontrollsysteme.
„Wir können die 23 gemeldeten Fälle von Flugzeugen, die zwischen Januar und Mai 2024 von der Landebahn abgekommen sind, nicht ignorieren. Zu den Hauptursachen gehörten Wetterprobleme und technische Probleme“, sagt Cristina Schoen, Global Head of Aviation Claims, Allianz Commercial. „Es gab außerdem einen spürbaren Anstieg der Schadensansprüche bei der Bodenabfertigung an großen Flughäfen weltweit. Während die Schäden durch ‚Air Rage‘ – also aggressives Verhalten an Bord – seit der Pandemie stark zurückgegangen sind, sehen wir eine Zunahme von Schadensersatzansprüchen aufgrund der wachsenden Nachfrage nach Hubschrauberflügen.“
Compliance schlägt technologischen Fortschritt auf dem Weg zur Netto-Null
Der Luftverkehr trägt mit rund zwei Prozent zu den weltweiten Emissionen bei und hat sich verpflichtet, bis 2050 klimaneutral zu werden. Die Tatsache, dass es keine Patentlösung für die Dekarbonisierung gibt, sollte nicht von den technischen Entwicklungen ablenken, die derzeit stattfinden. Nachhaltiger Flugkraftstoff zieht weiterhin viel Aufmerksamkeit auf sich, und es wird damit begonnen, verbindliche Ziele umzusetzen. Die Verbesserung bestehender Technologien schreitet ebenso wie Innovationen weiter voran. Der Markt für umweltfreundliche elektrische Senkrechtstarter, die sowohl Passagiere als auch Fracht transportieren können, wird in Zukunft erheblich wachsen – die ersten Versicherungsdeckungen für den Einsatz werden wahrscheinlich noch in diesem Jahr abgeschlossen.
Eine unerwartete Entwicklung, die eine größere Rechenschaftspflicht sowie Transparenz erzwingen könnte als jeder technologische Fortschritt, sind Vorschriften staatlicher Akteure. Dazu gehört beispielsweise die Richtlinie der Europäischen Union zur Nachhaltigkeitsberichterstattung (CSRD). Diese und andere Richtlinien weltweit verpflichten Unternehmen zur Offenlegung umfassender Informationen über ihre Leistungen und Anstrengungen in den Bereichen Umwelt, Soziales und Unternehmensführung (ESG).
„Eine standardisierte Berichterstattung kann das Vertrauen von Investoren und Stakeholdern in die Branche und die leistungsstärksten Unternehmen erhöhen und nebenbei die Führungsrolle der Branche bei der Dekarbonisierung demonstrieren. Vor allem aber dürfte sie die Nachhaltigkeitspraktiken in der gesamten Branche verbessern. Die Unternehmen werden durch eine solche Rechenschaftspflicht gezwungen, sich mit dem Thema auseinanderzusetzen. Diesem Engagement werden mit Sicherheit Investitionen folgen“, sagt Adam Tozzi, Head of Underwriting Global Tasks and Processes, Aviation bei Allianz Commercial.